6.12.2014 - erste Schritte mit zwei Händen

Spey Casting Aaare

Alles fing im November14 an:

Während der Fluss Auswahl für den Alaska 2015 Trip wurde mir langsam aber sicher bewusst, dass dieses Wässerchen, welches vor mir auf der Karte durch den Upper- und Lower Canyon plätschert,  unten raus ganz ordentlich an Breite und Masse zulegt. Zudem sollen die Unbekannten (Inconnu/Stenodus nelma) ziemlich tief in diesem vielen Wasser stehen.

 

Somit sind die Anforderungen an den Werfer eigentlich klar:

möglichst weit mit viel Gewicht zu werfen, ohne nach 2 Stunden um Schulter-Amputation oder schnellen Tod durch den Bären betteln zu müssen.

 

Jup, helle Köpfe mögen jetzt denken: "Quassel nicht rum, pack einfach die Spinnrute ein, fahr nach Alaska und zeig uns Fotos von dicken Chars und Sheefish!" 

 

Freunde, so einfach machen wir uns das Leben natürlich nicht!

 

Es liegt auf der Hand: einzige Alternative zum Spinnfischen bietet eigentlich nur die Zweihand-Fischerei. Erste Bekanntschaft damit hatte ich in Dänemark an der Gudenau gemacht: Teufelszeug! Die Jungs schlugen ihre Shooting-Lines/-Heads so aufs Wasser, als wollten sie damit einen Lachs erschlagen. Jedenfalls hatte mein damals unerfahrenes Auge und Ohr mit diesem Anblick grösste Mühe und ich beschloss mich nicht weiter mit dieser Art der Fischerei auseinander zu setzen. Gar Hohn und Spott bekamen Kollegen von mir zu hören, wenn sie mit Switch- & Spey-Ideen nach Alaska mitfahren wollten. Jungs, ich nehme alles zurück und entschädige Euch künftig mit den engsten Schlaufen, die ihr Euch vorstellen könnt! 

 

Mit dem Alter kommt bekanntlich die Weisheit, aber auch die Bequemlichkeit. Synonyme wie "entspanntes Fischen" und "Wurfweiten hinter den Horizont" liessen mich nun ein weiteres Mal über den eigenen Schatten springen und ich begann mich tiefer mit der Materie zu beschäftigen.

 

Wozu hat man Freunde, die standhaft mit zwei Händen fischen? Alle bestätigten: bei diesen Anforderungen gibt's eigentlich nur den "Gang nach Canossa" für den renitenten Einhänder mit dem roten Gummiboot.

 

Aber jetzt begannen die Probleme erst wirklich: Grains vs. Rutenklassen, Skagit-Köpfe vs. Spey-Heads, Switchrute vs. Speyrute. Irgendwann verstand ich überhaupt nichts mehr und mir wurde klar: "alleine findest Du da nicht mehr raus. Ein Profi muss her!"

 

"Profis" gibt's deren viele, doch nicht manchen in Bern. So wendete ich mich an den wahren Profi, ausgestattet mit dem Gütesiegel "EFFA": Jean-Paul Kauthen 

Jean-Paul Kauthen
© Jean-Paul Kauthen

Wir trafen uns zum Abendessen in der Stadt und nach leckeren Hirschkotletts sah ich wieder Licht am Ende des Tunnels, jedenfalls was die Materialschlacht betraf. Jean-Paul erklärte mir sehr verständlich, das "wie, was, wozu & warum" des Zweihänder-Orakels in der Theorie. Die Werferei sollte später in einem zweiten Schritt angegangen werden.

Als erstes musste mal Gerät gefunden werden. Meine Anforderungen waren wie Eingangs erwähnt klar, doch das Ganze musste zudem noch "Low-Budget" tauglich sein, denn die Gefahr, dass ich mich mit dem Gerät wie ein Voll-Honk anstellen würde, war ja durchaus möglich und nicht zu unterschätzen. So schauten wir uns ein paar Ruten im untersten Preissegment an und beim Dessert stand dann ein grosses X vor der "Redington Dually" in 13'6 Fuss mit 575 Grains zu einem Preis von USD $249.-

Die Weihnachtsgeschenke der Kids waren somit also nicht ernsthaft in Gefahr. 

Keine 10 Tage später war das Packerl da:

- Dually 8136-4 Spey

- Sage 3210

- RIO ConnectCore Shootingline 0.037" 

- RIO Skagit iFlight 625 grain

- RIO Skagit Max Long 600 grain

- RIO iMOW Tips Heavy & extra Heavy T17 

Damit sollte alles zur geplanten U-Boot Fischerei abgedeckt sein.

 

So, nun konnte es zur Praxis übergehen. Ein gemeinsamer Termin mit Jean-Paul war schnell gefunden: Chlousentag, 11.00 Uhr, Eichholz, Aare.

 

Jean-Paul war bester Laune und begrüsste mich herzlich und standesgemäss mit einer Sage ONE in den Händen. Ich hingegen mit meinem "Billig-Rütchen" war natürlich leicht nervös. "Wie vernichtend wird das Urteil des Meisters zu diesem Stecken sein???". 


Ein erster Blick überstand sein Urteil und er begann ein paar Würfe mit der Dually zu machen. "Nicht schlecht - perfekt für Dich als Anfänger". Phuu, Schwein gehabt!

Jean-Paul Kauthen und Redington Dually 8136
Jean-Paul's erste Würfe mit der Dually

Jean-Paul erklärte mir zuerst sehr verständlich die Grundsätze des Speycastens. Einer davon: "Tape am besten immer zu Beginn die Übergänge der Rute! Nach einem Tag werfen, lösen sich die Rutenteile und bei der Belastung kann es vorkommen, dass sich die eine oder andere Rutenspitze mal verabschiedet". Ungläubig hörte ich Jean-Paul's Worten. Ich dachte mir: "Na, das mag ja bei einem Profi so passieren, aber ich versau mir doch nicht meine schöne neue Rute mit Tape-Resten!" Zudem hatte weder er noch ich Tape zur Hand. Am Schnurende diente ein Büschel Yarn statt eines Streamers (viiiiel zu gefährlich bei Anfängern!!). 

 

Anschliessend begannen wir zuerst den Circle-Spey oder Snap-T in den Griff zu bekommen. Als dieser einiger massen in einer fliessenden Bewegung flutschte, folgte direkt darauf der eigentliche Speycast. Es brauchte einiges an Nerven des geduldigen Jean-Paul, bis bei mir endlich mal alles in der richtigen Reihenfolge und im richtigen Timing klappte. Einzig mit dem Stop am Ende des Wurfs hatte ich meine Mühe. Wohl einfach auch, weil die Freude über die bis hierher geschaffte Abfolge einfach den noch nötigen Abschluss vergessen liess.

Jean-Paul meinte, ich soll mal ein bisschen Runningline abziehen und beim nächsten Stop die Schnur schiessen lassen. WAU - die bisher unüberwerfbare Aare verlor plötzlich ihren Schrecken. Jetzt war alles erreichbar und das noch bei minimaler Anstrengung - einfach unglaublich!!!

sollte sein: Circle Spey / Snap-T
sollte sein: Circle Spey / Snap-T
Der D-Loop ist gemacht und jetzt raus damit!
Der D-Loop ist gemacht und jetzt raus damit!
die Schlaufen wurden immer enger
die Schlaufen wurden immer enger
Hallo Nachbar!
Hallo Nachbar!
wäre ein Doublespey Backhand (oder wie der heisst)
wäre ein Doublespey Backhand (oder wie der heisst)

Je länger ich warf, desto besser kam ich mit den Abläufen zurecht und das Werfen wurde zum Genuss. Was für eine Freude, wenn die Running-Line durch die Ringe schiesst! Herrlich! 

 

Meine Wurflektion nahm jedoch ein jähes Ende:

 

Beim Einstrippen meinte Jean-Paul: "Was ist denn mit Deiner Rute? Die ist so kurz!"  Und tatsächlich: Die Spitze fehlte! Gaaaanz vorsichtigt strippte ich ein, Zug um Zug. Unsere Blicke folgten gebannt zuerst dem Shootinghead, dann dem Tip und zum Schluss wedelte das orange Yarn an der Wasseroberfläche. Keine Spitze weit und breit! 

 

"Tape!" ist das Stichwort... Ja, im Nachhinein ist man immer schlauer und ich weis jetzt, was ich mir unter den Weihnachtsbaum lege: Eine neue Spitze und eine Rolle Tape!

Jean-Paul Kauthen
Jean-Paul Kauthen

Jean-Paul meinte, das hätte er bis jetzt noch nie erlebt. Nun, so kam auch er in den Genuss der einen oder anderen Überraschung und Neuerfahrung, die wir Floaters öfters mal erleben!

 

Wir wärmten uns bei einem Kaffee im Maygut auf und mussten beide Schmunzeln.

 

Fazit: Es hat riesen Spass gemacht, lieber Jean-Paul!! Nicht nur die Zweihänderei, sondern auch Dich als Lehrer an der Seite zu haben! 

Vielen Dank für Deine Zeit und Geduld!

Und was ich auch noch erwähnen muss: Jean-Paul meinte: "Wenn Du die Spitze nachbestellst, kannst Du mir auch gleich noch eine ganze Rute mit bestellen?  Ich brauche noch Trainingsgerät." - "Klar", war meine Antwort - "welche Tape-Farbe hättest Du gerne noch dazu?" 

  

Meine Rutenwahl scheint gar nicht mal so schlecht gewesen zu sein und ich kann es kaum erwarten, wieder an die Aare zu kommen und die Würfe weiter zu verfeinern. Macht wirklich Spass, das Teufelszeug!