Kanektok 2015

Floattrip Kanektok River Alaska
Kanektok River, SW Alaska

Der Bericht wurde auch auf dem www.fliegenfischer-forum.de veröffentlicht.
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Floattrip vom 29.08. - 08.09.2015

Ungeplant nahmen wir nach der Misère am Wulik den Kanektok River ins Visier (siehe Teil1, Wulik-Floattrip).

 

Der Kanektok River liegt nördlich der Bristol Bay im Südwesten Alaskas und reiht sich mit seinen Nachbarn Arolik, Aniak, Eek, Goodnews, Holitna, Kisaralik und Kwethluk River ganz oben in die Bucket-List der Fliegenfischer ein.

 

Diese Flüsse stehen für enorme und stabile Aufstiege aller pazifischen Lachsarten. Was sie jedoch in den letzen Jahren wirklich berühmt gemacht hat, ist die Möglichkeit der leichten Fliegenfischerei auf die begehrten Leopard Rainbowtrouts, arktische Äschen, Laketrouts und Saiblinge (Dolly Varden/Arctic Char). Die Amis sind ganz vernarrt ins „Mousing“. Entsprechend ist die Gegend ein beliebtes Reiseziel bei Sportfischern und an jedem dieser Flüsse sind mehrere Lodges anzutreffen, was mich in der Vergangenheit eher von dieser Region abhielt. Aber wie heisst es so schön: „In der Not frisst der Teufel fliegen“ und so freuten wir uns auf’s Getümmel an den Pools des Kanektoks…

 

Map Kanektok River Alaska

So sassen Rolando und ich wieder im Lonestar bei Rib-Eye-Steaks und Alaskan Amber, leckten unsere Wulik-Wunden und genossen die Annehmlichkeiten von Anchorage. Wir versuchten die abgekühlten Float-Gemüter wieder zu neuem Leben zu erwecken. Die Vorfreude auf den Kanektok hielt sich doch in Grenzen.

 

In der Vergangenheit war die Aufregung und der Elan am Vorabend eines Floats jeweils kaum zu überbieten; jeder drehte am Rad, hatte unzählige verrückte Ideen zu Angeltaktik, baulichen Camp-Verbesserungen und Vorhaben, die gar Jules Verne Inspiration verliehen hätten.

 

Das Fiasko am Wulik und der nicht angetretene Kobuk Float drückten die Stimmung erheblich: „Wilde Moschusochsen, Wolfsgeheul, Nordlichter, Speycasten auf Sheefish, 10 Kilo Dollies, pfft – in Hollywoods Traumfabrik vielleicht“.

 

Der Kanektok war nun halt nicht die erste Wahl, eine Überbrückung bis der Flieger Richtung Europa startet, sozusagen eine Notlösung. Hoffnung auf atemberaubende Natur, einen Flussverlauf aus dem Bilderbuch und ein bis anhin ungesehenes Fischaufkommen kam erst gar nicht auf.

 

Das warme Wetter in Anchorage, die Annehmlichkeiten der Zivilisation und die Aussicht auf 10 Tage Wildnis im Zusammenspiel mit dem einen oder anderen Gerstensaft brachten dann aber doch wieder etwas Schwung in unsere durchnässten Knochen und Geist.

 

Eines stand aber sicher fest: Wir reisen leicht! Rolando hatte bereits in Kotzebue unsere Vorratskisten rigoros ausgemistet und setzte seinen Sparkurs weiter fort: „Ne, ne, diesmal wird uns kein Pilot Angst machen! Das ganze unnütze Zeug bleibt hier! Kartoffeln werden ab sofort mit den Fingernägeln geschält, ach was red ich; Kartoffeln sind ganz gestrichen! Ende, Schluss, aus-die-Maus!“

 

Ein Abstecher zu Fred Meyers, um das eine oder andere Leckerli zu beschaffen, wurde erst gar nicht ins Auge gefasst. Einzig ein Stopp beim Tackleshop wurde gewährt, wo wir unsere Boxen mit Mäusen, Pollywogs und Wigglebugs auffrischten: „leichtes Foam- & Rehhaarzeugs ist OK, aber Hände-weg von den Jigs, gell Ursus!“

29.08.2015: Anchorage – Bethel – Pegati Lake

Und täglich grüsst das Murmeltier:

In Anchorage wird eingecheckt, Dollars werden gegen Zusatzkilos im Übergepäck getauscht, Schmerzen ob der TSA-Kontrollen machen sich in der Leistengegend breit um dann endlich Richtung Bethel abzuheben.

 

Ankunft in Bethel – „und gleich kommt Goofy um die Ecke und wedelt mit der Rute, oder wie?“
Ankunft in Bethel – „und gleich kommt Goofy um die Ecke und wedelt mit der Rute, oder wie?“

Bethel begrüsste uns bei der  Gepäck-ausgabe mit einem „sorry, that was it“.

 

Verdammt nochmal!  Schon wieder fehlte mein Rutenrohr!

 

Während wir uns in der Gepäckausgabe grämten, gesellte sich eine Blondine mittleren Alters zu uns und stellte sich als „Robin“ von Papa Bear Adventures vor (kurz Papa).

Carmen vom Alaska Fisherman Club organisierte, dass wir von Papa abgeholt und direkt zu deren Lodge überführt würden, um dort unser restliches Material (Boot, Zelte) in Empfang zu nehmen. Direkt anschliessend sollte der Ausflug an den Pegati Lake statt-finden. Da hat’s kein Platz für irgendwelche fehlenden Gepäckstücke…

 

Robin war sichtlich genervt und wollte bereits den Ausflug auf den Folgetag schieben. Erst der Manager von Alaska Airlines mit der Kostengutsprache für einen zweiten Ausflug am Folgetag, liess sie wieder auf Kurs kommen. „Das sei das erste Mal, dass Alaska Airlines sowas anbiete“ meinte sie. „Echt? Uns passiert sowas andauernd“.

 

Als wir bei Papa‘s Lodge ankamen, standen die Piloten gelangweilt rum und amüsierten sich über eine Gruppe Elchjäger, welche Steve dem Inhaber von Papa, Löcher in den Bauch fragte. Es stellte sich schnell heraus, dass die Jungs das erste Mal auf Elchjagd gehen und wohl auch das erste Mal in Alaska sind. Die Fragen über Moskito-Angriffe und Bedienung der Luftpumpe nervten Steve sichtlich; sehr zum Amüsement seiner Piloten.

 

 

Ein herzhaftes „Let’s go, Steve“ wurde sehr dankbar entgegen genommen und wir verzogen uns ins Office. Auf  Google Maps zeigte er uns den Flussverlauf des Kanektok und erklärte, wie der Pickup in Quinhagak ablaufen wird: Einem Native galt es vierzig Dollar abzudrücken, dafür werde uns dieser dann vom Old Airfield zum New Airfield von Quinhagak führen. Idealerweise würden wir am letzten Abend auf dem Old Airfield unser Zelt aufschlagen, damit uns der Fahrer sicher finden wird. Beim New Airfield würde dann im Verlauf des Tages eine Linien-Maschine von Quinhagak zurück nach Bethel fliegen. OK, alles klar soweit.

Robin schilderte ihm kurz die Story wegen dem zweiten Ausflug am nächsten Tag. Das gefiel Steve gar nicht, da am Folgetag die Piloten frei hätten. Aber irgendwie würde er das schon hinkriegen. Wir sollen einfach am Pegati bleiben, bis der zweite Flieger eintrifft. Steve nahm kurz sein Handy hervor und organisierte mir von einem  Bekannten zwei Fliegenruten, damit ich bereits heute schon die Fischerei aufnehmen konnte. Na, das ist doch mal ein Mann der mitdenkt!

 

Nach dem Briefing tauschten Rolando und ich die Jeans gegen die Wathosen und waren kurzum „ready to go!“. Die Piloten meinten: „whoa – these boys are ready! No questions, no bla-bla, just hot for the wild!” Ja, ja, hopp, hopp, genug geschnattert jetzt; wir wollen ans Wasser! Noch mehr staunten sie über unser leichtes Gepäck. „How long are you on the river?” -  “We eat fish!“ war meine etwas mürrische Antwort. Dies war das erste Mal, dass niemand auf die Idee kam, uns und unser Gepäck zu wiegen. Rolando’s stolzes Grinsen war kaum zu übertreffen.

 

Nach einem kurzen Stopp beim Bekannten mit den Ruten, fuhren wir durch Bethel ans Ufer des Kuskokwim River, von wo aus der Wasserflieger starten sollte.

 

Der Pilot wartete bereits am Flussufer und das leichte Gepäck war kurzum verstaut. Es schmerzte schon, wenn man all den freien und ungenutzten Platz in der Beaver sah und all die leckeren Steaks, Croissants, Äpfel, Frischmilch, Butter, und, und, und vor dem geistigen Auge vorbei ziehen sieht. Tja, „we love fish“.

 

Ungefähr in der Hälfte der Flugstrecke tauchte ein Hügelzug unter uns auf und der Pilot entdeckte eine Schwarzbärin mit Jungem. Er meinte es gut und zog etliche Schleifen um die beiden herum, welche sich nicht aus der Ruhe bringen liessen. Plötzlich hebelte der Pilot wie wild am Steuer und ein „Oouuuhh, Shit“ war zu vernehmen. Rolando und ich verloren kurz den Kontakt zum Sitz und genossen die Schwerelosigkeit. Dann riss der Pilot den Steuerknüppel ganz nach hinten und gab der Maschine volle Last, was uns wieder in eine stabile Lage brachte.

Black Bear Kanektok River, Alaska
leider die einzigen Bärenbilder vom 2015

„Ein unerwarteter Fallwind hätte sich von hinten angeschlichen“, meinte der Pilot und scherzte nervös. Wir fragten uns, ob die Anwesenheit seiner Frau und der Kinder beim Abflug einen Zusammenhang haben könnte:

„Good bye Daddy! We love you, but we need the money!“

 

Blödsinn, er meinte es wirklich nur gut und wollte uns die beiden Bären so nahe wie möglich zeigen. Als er aber später Kariboos entdeckte, lehnten wir dankend die Extra-Schleife ab. Davon hätten wir am Wulik genug gesehen. 

Der Pegati Lake lag idyllisch zwischen den Gipfeln der Ahklun Mountains und hiess uns gar bei etwas Sonnenschein und angenehmen Temperaturen willkommen.

Anflug Pegati Lake
Anflug Pegati Lake

Nachdem alles Gepäck ausgeladen und unser erstes Camp direkt am Auslauf des Kanektoks aufgestellt war, schritten wir mit einem frischgebrühten Nescafé das Flussufer ab und liessen die Gegend erstmal auf uns wirken.

 

Das Panorama war schlicht überwältigend. Nur das Flattern der Küchenzeltplane störte die volkommene Stille. Das Wetter änderte sich ständig, mal Regen, mal Sonne. Regenbogen bildeten sich immer wieder von Neuem.

 

Natürlich zog uns der Fluss magisch an – wir spähten voller Neugier in den Ausfluss des Pegati Lakes. Und da war ordentlich Leben zu entdecken: Etliche Schulen von Rotlachsen verrichteten ihr Laichgeschäft. Dazwischen vermuteten wir die Saiblinge und Regenbogner, welche als Eierdiebe fungieren dürften.

 

Jetzt aber!!! Wir brachten in Windeseile unsere Ruten in Schuss; Rolando mit Bead, ich mit Streamer. Rolando versuchte es in den ersten Metern des Kanektok, ich etwas weiter oben am See.

Outlet Pegati Lake
Outlet Pegati Lake

Ich hoffte eigentlich auf die eine oder andere Laketrout oder fetten Saibling. Bereits beim zweiten Wurf durfte ich den ersten Biss verzeichnen; es war aber ein Rotlachs der meinen Streamer nicht widerstehen konnte. Der Fisch war sichtlich vom Laichgeschäft gezeichnet und wurde umgehend zurückgesetzt.

 

Ein zweiter Sockeye folgte bald dem ersten und ich stellte die Fischerei ein. Bei der Anzahl an Rotlachsen, war es hier unmöglich mit Streamer etwas anderes zu fangen. Also machte ich es Rolando gleich und stellte auf Beads am Bissanzeiger, gefischt in Deaddrift, um. Rolando hatte unterdessen bereits die ersten Dollies und Äschen gefangen.

 

So vertrieben wir uns die Zeit bis zum Abend und genossen die Abgeschiedenheit, das Panorama und die tolle Stimmung am Kanektok.

Ein Pack Spaghetti, eine Zwiebel und zwei Elchwürste standen für den ersten Abend auf dem Menuplan. Getoppt mit ein paar Krümel Streukäse und einem Schluck Tinto aus der Kartonbox. War lecker, aber der Watgürtel wurde nun merklich enger geschnallt.

 

Nach dem Abendessen fischten wir noch bis spät in die Abendstunden konnten wiederum etliche Äschen und Dollies überlisten. Wirklich grosse Fische waren aber nicht dabei. Die Stelle dürfte stark befischt sein, denn hier zückt natürlich jeder Neuankömmling zuerst einmal die Rute und will rausfinden, was Sache ist.

 

Im Schlafsack resumierten wir:

Wetter: gut -  Fischerei: spannend - allgemeines Befinden: „back-on-track!“

Pegati Lake AK
Pegati Lake AK

Die erste Nacht wurde kalt und der mittlerweile wieder trockene Schlafsack musste sein Können erneut unter Beweis stellen. Der Morgen erwartete uns bei Minustemperaturen aber einem herrlichen Panorama: Die Gipfel der Ahklun Mountains waren mit Schnee bedeckt.

 

Die Toastscheiben wurden dank der Flamme des Gasofens richtig knusprig und die gefrorene Nutella liess sich gar ein bisschen darauf verteilen. Dazu ein starker Kaffee und es konnte an den Campabbau gehen. Sobald der Pilot mit dem Rutenrohr eintreffen würde, wollten wir starten.

 

Der zum Sonntagsdienst verdonnerte Pilot traf gegen Mittag ein und war freundlicher als gedacht. Die Ruten wurden getauscht und kurz darauf war er wieder am Horizont verschwunden. So, ab sofort keine Termine mehr, keine Verpflichtungen die im Nacken sitzen; einfach nur noch ein Fluss, ein guter Freund zur Seite und pures Abenteuer!

Kanektok River, SW Alaska
Kanektok River, SW Alaska
Kanektok River Alaska
Kanektok River, SW Alaska

Am späten Nachmittag kamen wir an eine Stelle, der wir einfach nicht widerstehen konnten:

 

Ein Bach mündete in den Kanektok und im Spickel wartete ein absolut perfekter Campplatz auf uns. Als wir den Bach kurz begutachteten, kamen umgehend die Erlebnisse am Funnel-Creek im Jahr 2013 zurück in die Erinnerung. „Mousing for Bows!“ Das Grinsen und die Vorfreude war kaum zu zügeln. Doch wir wollten uns diesen Zulauf des Kanektoks für den nächsten Tag aufsparen, jetzt galt es zuerst das Camp aufzubauen, was zu Futtern und dann noch ein bisschen den Homepool zu befischen.

 

Da das Wetter den ganzen Tag sehr unbeständig war und der Wind in den Abendstunden zunahm, nahmen wir uns Zeit beim Campaufbau und funktionierten das Moskitozelt, wie schon am Wulik, in einen anständigen Verschlag, der uns vor Regen und Wind schützen sollte.

 

Nach den bereits bekannten Elchspaghettis befischten wir den Homepool und fielen nach ein paar schönen Fängen hundemüde in die Schlafsäcke.

genau wegen solcher Stimmungen tun wir uns das an!
genau wegen solcher Stimmungen tun wir uns das an!

Die Nacht war wiederum kalt, sehr kalt. Nach dem Aufwachen wollte keiner recht raus. Doch die Aussicht auf die Fischerei im kleinen Bach liess uns dann doch die gemütlichen Schlafsäcke verlassen. 

Die Morgenstimmung am Kanektok war erneut überwältigend: die aufgehende Sonne verwandelte den Raureif in Nebel und wärmte auch uns langsam auf.

 

Bis die Wathosen und Schuhe aufgetaut waren, verköstigten wir uns mit einem neuen Highlight in der Floaters-Küche: Pita-Nutella-Crêpes. Die unterkühlte Nutella wird mühseelig mit dem Messer aus der Büchse gekratzt und anschliessend auf einer Fertigpita in der Bratpfanne in einen einigermassen Paradontitis-erträglichen warmen Zustand gebracht. Dazu wird ein starker Kaffee auf dem Panorama-Deck am Flussufer serviert und es heult Hank Williams Jr. aus der Musikbox von verflossener Liebe -  besser geht nicht!

 

Die angeheizten Hormone nach diesem Zuckerschock kühlten aber rasch wieder aus, als wir die ersten Würfe im kleinen Zufluss machten. Nix!

 

Auch nicht, als wir weiter den Bach hoch wanderten. Etliche wunderschöne Stellen erwarteten uns, perfekt für das geplante Mousing auf Rämbösen. Aber leider „no fish“. Aber auch ohne Bär. Weder im Wasser noch an Land konnten wir irgendwelche Lebenszeichen der hiesigen Fauna ausmachen.

Wir kehrten zurück ins Camp und gaben ein paar Würfe in den Zusammenfluss. Und siehe da, kaum zurück am Kanektok wurden die Streamer und Nymhen von Äschen attakiert und es hiess mal wieder „fish on!“

Ich überliess Rolando den Homepool und verzog mich weiter flussabwärts. Schon bald sah auch ich Schatten im Wasser hin und her ziehen. Auf Trockenfliege zeigten die Fische kein Interesse, also waren es keine Äschen. Kaum war jedoch das Bead im Wasser, ging der Zirkus los. Dolly auf Dolly, es will nicht aufhören. Die Saiblinge waren zwischen 40 und 60 cm gross und machten ordentlich Radau an der 5er Rute. Zum Schluss stand es 1:0 für die Dollies, ich gab auf; sie hatten mich geschafft.

 

Etwas weiter unten hatte es ein paar Rauschen im Wasser und ich dachte mir: „Montier eine Maus um die Gelenke zu schonen“. Gedacht, getan; die Maus schlitterte über die erste Rausche, war auf dem Weg zur zweiten und schon spritzte das Wasser auf. BAM – eine ordentliche Regenbogenforelle hatte sich die Maus geschnappt und zog nun dank des schnellen Wassers etliche Meter Schnur von der Rolle. War wohl nichts mit entspannter Fischerei. Ich grinste, ich lachte, und war einfach wieder einmal mehr überwältigt von der Fischerei, die man hier draussen erleben kann.

 

Beim Abhaken des Fisches kam noch eine weitere Maus zum Vorschein. Diesmal aber in echt, aus dem Schlund der Regenbogenforelle.

Als ich zu unserem Homepool zurückkehrte, sah ich Rolando natürlich auch mit krummer Rute. Auch ihm schmerzten die Gesichtsmuskeln und er grinste unablässig. Es schien als hätte er das „Glory-Dolly-Hole“ gefunden und drillte rekordverdächtige Saiblinge. Die Farbenpracht dieser wunderschönen Tiere ist immer wieder eine Augenweide.

Wir entnahmen einen der unzähligen Saiblinge und bereiteten uns diesen zum Abendessen in Alufolie auf dem Gasgrill zu. Anschliessend fischten wir noch bis spät in die Abendstunden und Rolando gelang gar noch der Fang des ersten Kanektok Silberlachs. 

Die nächsten zwei Tage schien die Sonne und die Temperaturen tagsüber waren sehr angenehm. Wir folgten weiter dem Fluss, fingen weitere Äschen und Saiblinge und immer vermehrt Silberlachse.

 

Ab und zu kam uns ein Jetboot entgegen und wir wurden immer wieder mit der selben Frage konfrontiert: Nein, nicht „do you have Marijuhana?“ sondern „have you seen any Moose?“.

 

Die Jagdsaison auf Elch war seit dem 1. September eröffnet und die Natives waren ganz scharf auf die begehrten Fleischlieferanten. Wir hörten ab und zu Schüsse in der weitläufigen Gegend, doch erfolgreiche Jäger konnten wir keine ausmachen. 

Die folgenden Tage bestanden nun abwechselnd aus Cohos drillen, kurze Aufwärmphase mit Kaffee im Küchenzelt und anschliessend wieder ans Wasser. Am Abend: Elchwurst-Zauber mit Tinto und Tumbler „Alaska-Style“.

Der Kanektok führte nun im unteren Drittel ordentlich Wasser. In den Back Eddies und in den ruhigen Seitenarmen konnten wir riesige Silberlachsschulen entdecken. Die Fischerei mit Streamern, bspw. mit Dolly Llamas in weiss/rot oder pink, war extrem spannend. Die Cohos waren sehr aggressiv und attakierten die Streamer teilweise zu dritt und zu viert. Doch nach ein paar gefangenen Fischen war der Zauber jeweils vorbei: „spooked“. Doch mussten wir nie lange paddeln um zum nächsten Back Eddy zu kommen.

 

Der Kanektok verästelte sich immer wieder in mehrere Arme und kaum war ein Pool vorhanden, waren auch Cohos da und zwar in unglaublichen Zahlen. Gefangen haben wir „Gonzos“, wie Freund Mazzo sie gerne nennt; also Fische, welche sich bereits seit mehreren Tagen im Flusssystem aufhalten, aber auch silber blanke Frischaufsteiger.

Coho Salmon Kanektok River
Gonzo

Mir schwirrte der Mythos „Coho on dry fly“ im Kopf herum. Es soll ja möglich sein, Silberlachse mit der Trockenfliege zu verführen. Wie das in Alaska so üblich ist, reden wir hier nicht von filigran gebundenen CDC-Spents, sondern von  grobschlächtigen Pollywogs oder Mäusen in grellem Pink, also eher Abteilung Hecht Topwater Streamer.

 

Egal, wir hatten solche Sträusse in unseren Boxen und beim nächsten Seitenarm knüpfte ich einen solchen ans 33er Vorfach und warf ihn ins ruhige Wasser. Beim Einstrippen kam umgehend „Jaws-Feeling“ auf. Nach den ersten Strips tauchte eine Bugwelle hinter dem Pollywog auf und verfolgte diesen bis kurz vor meine Füsse. Das ging nun so für die nächsten Würfe weiter. Das Interesse der Cohos war geweckt, doch den entscheidenen Angriff konnte der Wog nicht provozieren. Also versuchte ich es mit einer Maus: Etwas besser, gar den einen oder anderen Fehlbiss, aber kein Strike.

 

Ich bat Rolando ein paar Würfe mit meiner Rute zu machen, eventuell hätte er ja mehr Glück. Leider nicht, auch er hatte nicht mehr Erfolg.

 

Also kramte ich leicht verzweifelt in meiner Box herum, bis mir der Wiggle-Bug auffiel. Schwimmt, ist pink;  also ran damit ans Vorfach. Erster Wurf, Bugwelle und dann spritzte das Wasser! Der Wiggler war genau das, was die Cohos zum Anbiss verleitete.

 

Nach zwei gefangenen Fischen hatten wir die Befürchtung, dass der Zauber wiederum vorbei ist, denn die Cohos machten ordentlich Rabatz im Wasser. Aber denkste; die Cohos machten überhaupt keine Anstalten spooked zu sein, eher „wigglered“…

 

Wir haben versucht, diese extrem lustigen Momente auf Film festzuhalten und das Erlebte mit dem Wiggler zu veranschaulichen. Siehe ab Minute 8:30 – das sind Erlebnisse, die gehen nie mehr aus dem Kopf. 

Tulis Wiggle Bug
Tulis Wiggle Bug; vorher/nachher

Der Wiggle Bug leidete arg, doch das schien die Cohos nicht weiter zu stören.

 

Wichtig war, wenn ich es richtig einschätzen kann, dass der Bug beim Einstrippen abtaucht und in der Ruhephase wieder an die Wasseroberfläche zurückkehrt. Diese Mischung aus Streamer und Topwater-Köder schien sie zu reizen.

 

Die Farbe war auch nicht entschiedend, denn der Anfangs pinke Wiggler war zum Schluss weiss und fing genau so gut wie zu Anfang.

 

Der Wiggler hat jedenfalls ab sofort seinen festen Stammplatz in der Fliegendose und wird bei den nächsten Ausflügen ans Wasser immer wieder mal zum Einsatz kommen.

 

Rolando entdeckte eine beachtliche Regenbogenforelle im Hauptstrom des Kanektok, direkt unter einem Ufervorsprung. Er versuchte es mit Nymphe und Bead, doch die Rämböse reagierte nicht. Doch plötzlich schoss ein kleiner Fisch, wohl ein junger Lachs auf die Nymphe. Während Rolando sich noch über den Fehlbiss ärgerte, schoss jetzt die Rämböse aus ihrem Unterstand auf den kleinen Lachs und hängt somit an Rolandos Rute. Der ist so verduzt, dass er den Anschlag versemmelt und die Rämböse verzieht sich mit vollem Magen wieder zurück an ihren Stammplatz.

Nach diesen Erlebnissen zogen wir weiter auf dem Fluss hinab. Wir hatten am nächsten Tag das Date mit dem Native, welcher uns vom Old Airfield zum New Airfield in Quinhagak überstellen würde. Da wir keine Ahnung hatten, wie weit die Flussstrecke noch betragen würde, beschlossen wir bis nach Quinhagak durch zu floaten, möglichst bei diesem Old Airfield zu übernachten, um dann am nächsten Morgen parat zu sein.

 

Nach ein paar Meilen erreichten wir die ersten Häuser von Quinhagak. Bei einer Anlegestelle vertäuten wir unser Boot zwischen den Fischerbooten und machten einen ersten Landgang. Wir trafen auf einen Weissen, welcher gerade sein Boot zum Auslaufen bereit machte und fragten ihn, wo denn das Old Airfield sei. „Right here“ war seine knappe Antwort und zeigte auf eine breite Strasse, welche ins Nirgendwo führte. Aha! Ich bot ihm einen Zigarillo an und er wurde gesprächiger.

 

Er meinte, dass wir unsere Zelte gleich hier aufstellen könnten, obwohl überall „Private Property“ stand. Wir beschlossen das Risiko einzugehen, denn auf langes Schleppen unseres Material hatten wir keine Lust. Ein Blick in den Fluss machte uns jedoch Sorgen: das Wasser war voller Schaum und schaute nicht trinkbar aus. Der Typ meinte, er würde jetzt zuerst sein Tageslimit an Cohos fangen gehen und uns anschliessend frisches Trinkwasser organisieren.

 

Wir zogen das Boot aus dem Wasser und begannen mit dem Campaufbau. Wir waren noch nicht fertig, schon kam der Typ zurück, geschätzte 20 Minuten. In seinem Boot lagen sechs Silberlachse, welche er aber im Boot liegen liess. Das Trinkwasser würde gleich geliefert, meinte er noch, dann brauste er auf seinem ATV davon.

 

Wir kochten unterdessen den Rest Trinkwasser ab um damit zwei Beutel gefiergetrocknetes Chilli zuzubereiten. Wir waren knapp mit Essen fertig, da brauste schon der nächste Besuch an. Diesmal ein Weisser mit einem Mädchen, ca. 13 Jahre alt. Er brachte einen Kanister Trinkwasser und wir offerierten den beiden einen unserer legendären Pita-Nutella-Crêpes. Zuerst noch eher skeptisch, doch nach den ersten Bissen lockerte sich die Stimmung. Rolando zauberte als Bonus den Jägermeister hervor und Willy kam ins Schwärmen. Seine Tochter war von beidem nicht sonderlich angetan. Da meinte Willy, sie solle ihren Allerwertesten runter zum Boot schwingen und „clean the fish!“. Ohne Murren machte sie sich daran, die Fische zu säubern. Willy erklärte, dass er den Fisch anschliessend in Gläsern abkochen würde, um damit ihre Vorräte für den Winter aufzubessern UND dass man immer streng zu seinen Kindern sein muss, sonst kämen die auf dumme Ideen!

 

Während wir so palaverten, brausten immer wieder ATVs vor unserem Zelt durch. Das sei die Dorfjugend, welche auf dem Old Airfield Rennen mache; rauf und runter. Andere Beschäftigungen gäbe es hier nicht, oder seien verboten, meinte Willy.

 

Punkt 22.00 Uhr wurde der ganze Lärm der 4Weehlers von einem Sirenengeheul übertönt, welches Rolando und mich an alte schwarz/weiss Kriegsfilme erinnern liess. Die Jugend brauste umgehend davon. Willy erklärte, dass nun alle Einwohner unter 16 Jahren nicht mehr ohne Elternteil alleine unterwegs sein dürfen. Ausgangssperre…

 

Wir freuten uns aber vergebends auf nächtliche Ruhe: kurze Zeit später wimmelt es wieder von ATV’s. Diesmal waren es aber die Erwachsenen, die sich ¼-Meilen Rennen lieferten. Aber auch hier beruhigte uns Willy: Ab Mitternacht gilt die Ausgangssperre auch für die Erwachsenen. Er lud uns ein, am nächsten Morgen bei ihm zu frühstücken, was wir sehr gerne annahmen, und wünschten einander eine gute Nacht.

 

Um 7.00 Uhr chauffierte uns Willy’s Tochter zum Chef, welcher in der Küche, eine eigenständige Cabin, bereits mit Kellen und Pfannen hantierte. Bevor es aber Frühstück gab, machten wir einen Rundgang über sein Anwesen, auf welchem er Cabins für künftige Gäste errichtet. Er kämpft mit dem unebenen Boden (Permafrost) und der einheimischen Bevölkerung. Quinhagak hat rund 600 Einwohner, wovon drei Weisse sind. Er meinte, dass es äusserst schwierig sei hier ein Business aufzuziehen, denn die Natives hätten absolut kein Interesse daran, Fremde in ihrer Heimat zu haben. Finanziell sei hier jeder abgesichert (Zuschüsse vom Staat und der Native Coorperation), somit bestehe auch kein Interesse an Business-Aktivitäten.

 

Er zeigte uns stolz sein Gewächshaus, in welchem er etliches Gemüse und Blumen mit Erfolg gross zieht. Er erzählte, dass er für dieses Gewächshaus ordentlich kämpfen musste, denn als die Frauen aus der Nachbarschaft die Blumen gesehen hätten, wollten sie natürlich von ihren Männern auch so etwas Schönes gebaut bekommen. Statt sich an die Arbeit zu machen, statteten die Jungs aber Willy einen Besuch ab und verlangten, dass er sein Gewächshaus umgehend abreisst. Er zwinkerte Richtung Pumpaction und liess durchblicken, wer den Fight gewonnen hat.

Willy Keppel, Quinhagak AK
Frühstück bei Willy Keppel, Quinhagak

Das Frühstück war herrlich amerikanisch: Speck und Würste, triefend vor Fett, Pancakes bis zum Abwinken:  Rolando und ich schlugen uns die Bäuche voll und genossen die gemütliche Atmosphäre in der geheizten Cabin.

 

Zurück in unserem Camp überliessen wir Willy alles Material, was wir nicht mehr benötigten, was er sehr gerne annahm. Vorallem die Büchse Nutella machte ihm eine riesen Freude.

 

Bald war alles zusammen geräumt und auch das Taxi war pünktlich. Die Fahrt vom Old zum New Airfield dauerte doch fast 20 Minuten und wir waren für den Transport sehr dankbar. Auf dem Flugplatz warteten wir bis zum späten Nachmittag, bis uns ein Flieger von Bethel Air abholen kam. Unsere Maschine nach Anchorage war erst spät am Abend geplant, doch in der Zwischenzeit konnten wir bei Papa Bear in der Lodge duschen und bei einem der Hauslieferdienste mal wieder was Anständiges zu Essen bestellen. Was war das für eine Wohltat, frisch geduscht und in Jeans ein Steak mit einem kühlen Bier zu geniessen; die Zivilisation hatte uns wieder.

 

Die restliche Reise verlief nach Plan und wir kehrten gesund, glücklich und mit etlichen neuen Erlebnissen und Eindrücken zu unseren Liebsten zurück.

Kanektok River, Alaska
Kanektok River, Alaska

Résumé

Nach dem feuchten Float auf dem Wulik waren wir natürlich relativ einfach von einem anderen Fluss zu begeistern. Doch was wir am Kanektok erleben durften, stellte auch manch anderen vergangenen Float in den Schatten.

 

Die Flussstruktur ist sehr abwechslungsreich, die fischereilichen Möglichkeiten und der Fischreichtum unbeschreiblich und die Gegend eine Freude für jeden Naturliebhaber. Einzig bemängeln könnte man das Fehlen von Bären oder anderer Wildtieren. Der Kanektok ist ein idealer Flus für einen Floattrip; keine grosse Hindernisse oder schwierigen Passagen. Er eignet sich deshalb auch für Float-Novizen.

 

Anfang September erschien uns eine perfekte Reisezeit, denn zu diesem Zeitpunkt haben die Lodges bereits ihren Betrieb eingestellt und der Coho-Run war in vollem Gang. Ausser ein paar Jägern haben wir kaum jemanden angetroffen.

 

Empfohlene Dauer:

Wir waren 9 Nächte auf dem Fluss, das erschien uns als Dauer gut, lieber noch zwei bis drei Nächte mehr.

 

Fliegenfischen:

Wir haben ausschliesslich mit Fliegenruten in unterschiedlichen Klassen gefischt.

Coho: Ein- und/od. Zweihandruten der Klasse 8, schwimmende Schnüre

Saiblinge/Äschen/Regenbogen: Einhand Klasse 4/5, schwimmende Schnüre

 

Outfitter:

Die gesamte Organisation erledigte Carmen vom Alaska Fisherman Club. Material, Zelte, Boot, Campmaterial, Küche und unverderblicher Proviant wurden bereits im Vorfeld als Cargo von Anchorage nach Bethel überstellt. Carmen organisierte auch die Inlandflüge und den Ausflug von Bethal an den Pegati Lake (Startpunkt) bei Papa Bear. Es hat wie immer alles tadellos geklappt und das Material entsprach exakt unseren Wünschen. Wirklich zu empfehlen.

 

Kosten:

Hier ein Richtwert (ohne Gewähr) für einen 10-Tages Float auf dem Kanektok, Anreise ab Frankfurt Ende August/Anfang September, im Rahmen wie wir ihn bezahlt haben:

 

Flugkosten Condor (Frankfurt/Anchorage/Frankfurt):             ~1000 Euro pro Person

Komplettpaket Floattrip Kanektok:                                              ~2470 Euro pro Person

 

Im Komplettpaket waren enthalten:

·         Abholung am Flughafen Anchorage, Betreuung in der Stadt

·         Hotelübernachtung in Anchorage in der ersten Nacht

·         Linienflug Anchorage – Bethel – Anchorage
·         10 Tage Schlauchbootfahrt am Kanektok River. Selbstversorger ohne
           Guide Ausrüstung: Boot mit Zubehör, Zelte, Liegematten, Koch- und Essgeschirr,
           GPS und Kartenmaterial

·         Inklusive aller Transporte ab/bis Bethel. Nutzlast: 540 kg (Papa Bear)

·         Leihwagen während des Aufenthaltes in Ancorage

 

 

Rolando:

Zum Schluss muss unbedingt mein Bootspartner Rolando erwähnt werden. Ohne einen solch verlässlichen Freund an der Seite wäre ein Abenteuer wie dieses kaum zu geniessen. Die Tage auf dem Fluss können lange, mühsam, nass, kalt und zäh werden und die persönlichen Befindlichkeiten drücken ab und an ordentlich die Stimmung. Motivation ist da das Zauberwort. Und da hat unser lieber Freund Rolando eine Menge davon! Ein herzhaftes „Tip-Top“ und schon scheint wieder die Sonne! Danke!

 

 

Gerne stehe ich wie immer für weitere Auskünfte zur Verfügung und freue mich schon, vom nächsten Float berichten zu können!